Die Außenhändler
Von Beginn an kämpft die DDR um Anerkennung und einen gewissen Wohlstand. Die Außenhändler sorgen für einen schwungvollen Absatz von DDR-Produkten im Ausland – am liebsten natürlich im westlichen Ausland. Da gehen Kinderwagen aus Zeitz in den Irak, Schiffsmotoren nach Sizilien und Zeiss-Kameras in die ganze Welt.
Die Außenhändler verhandeln nach den Vorgaben der Planwirtschaft mit dem westlichen Finanzkapital und bewegen sich in den ersten Jahrzehnten als wirtschaftliche Vertreter eines Landes, das für einen Teil seiner Gesprächspartner politisch nicht mal existiert. Immer wieder geht es auch darum, die Grenzen des Kalten Krieges zu umgehen, die Hallstein-Doktrin und die Embargobestimmungen der westlichen Länder.
Schon in der Ulbricht Ära beginnt die DDR sich außerhalb der sozialistischen Wirt-schaftspartner – den Ländern des RGW – zu bewegen und somit auch die engen Vorla-gen des Systems zu verlassen. Das Wirtschaftssystem des RGW ist ein in sich geschlossenes, mit möglichst günstigen Konditionen für die Mitglieder. Die DDR macht sich das zunutze, indem sie z.B. Erdöl in der Sowjetunion günstig einkauft, im Petrolchemischen Kombinat Schwedt zu Kraftstoff veredelt und nach Westberlin verkauft. Ein geschickter Schachzug, der die DDR-Hauhaltskassen für ein paar Jahre durchaus entlastet. Unter den RGW-Ländern gilt die DDR als das am besten entwickelte Land mit dem höchsten Lebensstandard.
Ging es in den ersten Jahren noch darum, die DDR-Produkte in der Welt zu vermarkten und dringend Benötigtes für das Land zu importieren, waren die Außenhändler in den späteren Jahren vorwiegend Devisenbeschaffer. Gehandelt wurde nicht mehr, um Pro-dukte für die DDR zu beschaffen, sondern Produkte wurden beschafft und weiterverkauft, um Gewinne in fremder Währung zu erzielen.
In der zweiten Lebenshälfte der DDR geht es neben der Beschaffung von Technologie und „Know How“ und der Erschließung neuer Märkte immer mehr darum, die angeschla-gene Wirtschafts- und Versorgungslage zu verbessern sowie im Land Kaufkraft abzu-schöpfen. Die Außenhändler werden nun endgültig zu Managern, die Waren einkaufen und verkaufen, oft ohne, dass diese Warenströme die DDR auch nur berührten. Sie bewegen sich auf den Weltmärkten, um die schlechten Bilanzen der Planwirtschaft auszu-gleichen, und sie erzielen dabei Milliardengewinne, die das kleine Land noch einige Jahre länger am Leben halten.
Seit Ende der siebziger Jahre sinkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit vieler DDR-Exportprodukte drastisch. Mit der Einführung elektronischer Steuerungen kann die DDR nicht mehr mithalten. Im Ostblock ist sie in der Mikroelektronik zwar führend, doch dem Weltmarkt hinkt sie dennoch hoffnungslos hinterher.
In dieser Zeit macht den Außenhändlern zunehmend die Embargo-Politik zu schaffen. Vieles von dem, was sie für die DDR einkaufen sollen, steht auf den Embargo-Listen, oft überschreiten sowohl die Außenhändler als auch ihre westeuropäischen Geschäftspartner die Grenzen der Legalität.
Diese Technologie-Importe sind teuer. Um sie sich leisten zu können, beginnt die DDR ab den siebziger Jahren, hochwertige Güter fast nur noch für den Export zu produzieren und sie dann im Westen nahezu zu verschleudern. 1988 übersteigt die Einfuhr von Waren aus den westlichen Industrieländern zum ersten Mal den Export in diese Länder. Das Land steuert auf seinen Untergang zu – und die DDR-Außenhändler können ihn längst nicht mehr aufhalten.
Die Geschichte der DDR-Außenhändler zu erzählen, ist der Schlüssel, ein besonderes Stück DDR zu erzählen und vom Kern dessen, woran sie zu Grunde ging: dem ökonomischen Ausverkauf.