Wildnis Mitteldeutschland – Die Goitzsche
Der Goitzscher Auenwald ist einstmals eine wirkliche Schönheit gewesen, erinnert sich Dieter Schulze. Einhundert Jahre alte Hainbuchen standen hier. Als die Bagger kamen, ging es mit dem Idyll und seinem Heimatdorf Döbern bald zu Ende. In den 70er-Jahren war um den Ort herum bereits alles ausgekohlt, das Dorf eine Insel. Der Tagebau verwandelte die Gegend in eine Kraterlandschaft, ganze Dörfer verschwanden: Niemegk, Paupitsch und eben Döbern.
Was Dieter Schulze und all die anderen Bewohner nicht wissen sollten, die Grube barg mehr als schmutzige Kohle: milchiggelben Rohbernstein. Beim Graben war man wohl eher zufällig auf die Lagerstätte gestoßen. Offenbar die größte Deutschlands, wie sich später herausstellte. Und weil der Bernsteinimport aus Kaliningrad gerade drastisch sank, wurde Bitterfeld zum höchst geheimen Ersatzlieferanten für den „VEB Ostseeschmuck“ in Ribnitz-Damgarten. Was als original Ostseeschmuck für gute Devisen in den Westen ging, wurde in Bitterfeld abgebaut. Anfangs noch mit Hacke und Spaten, später mit maschineller Hilfe. Mehr als 400 Tonnen Bernstein – bis die Wende kam und das Interesse am Bitterfelder Bernstein sank.
Das heute rekultivierte Naturschutzgebiet in der südlichen Goitzsche gäbe es ohne Heidrun Heidecke so wahrscheinlich nicht. 1.300 Hektar hat sie im Laufe der Zeit für den BUND gekauft. Jetzt werden dort in der größten Kormorankolonie Sachsen-Anhalts die Jungtiere gerade flügge. Ein Kleinod, das erst entstanden ist, als der Mensch nichts mehr tat. Nichts, außer dafür zu sorgen, dass sich die Natur wieder ungestört entfalten durfte. So wie damals, als hier noch ein geschützter Auenwald stand?